Die diesjährigen Veranstaltungen im Rahmen der Präventionstage sollten das Augenmerk auf Süchte im weitesten Sinne legen. Es gibt viele informative Angebote für Betroffene, Angehörige und an interessierte Menschen zu unterschiedlichen Problembereichen wie Esssüchte, Drogen- Spielsüchte usw., die das JuZe in den letzten Jahren im Rahmen der Präventionstage angeboten hatte. In diesem Jahr wurde der Zugang zur Thematik von einer anderen Seite beleuchtet. Was kann getan werden, damit potentielles Problemverhalten gar nicht erst entstehen kann und wenn doch, wie kann man lösungsorientiert aus solchen Situationen wieder herausfinden. Dazu fanden im Oktober die ersten Veranstaltungen statt:
Was brauchen Jugendliche?
Grundlagen einer gesunden Entwicklung
Dr. Hartmann Raffeiner, Psychologe und Sexualberater folgte der Einladung ins JuZe sehr gerne und bot den Anwesenden einen informativen Abend zum Thema „Was brauchen Jugendliche“. Unter welchen Umständen können Menschen eine gute und gesunde Entwicklung vollziehen und wie kann es in deren Abwesenheit zu anhaltenden Problemen und Störungen kommen, diesen Fragen ging der Referent mit den Zuhörern auf den Grund. Die Erfahrungen, die wir Menschen machen, sind immanent für die Entwicklung. Dazu gehört es, dass jeder die Möglichkeit hat, unterschiedliche Erlebnisse wie spielen, aggressiv sein, nachgeben, sich widersetzen, sich öffnen usw. auszuleben. Wenn diese Erfahrungen nicht gelebt werden, kann es zu Dysfunktionen kommen, die der Referent anhand von Beispielen darstellte: jemand, der es nie gelernt hat über Dinge, die ihn belasten zu sprechen, wird beispielsweise aggressiv, wenn er sich in solchen Situationen befindet oder bei jemand anderem, der nicht gelernt hat „nein“ zu sagen, treten körperliche Symptome auf. Daher, so Raffeiner, sei es wichtig, dass die Grunderfahrungen gelebt werden – nur, wenn ich diese gemacht habe, kenne ich sie und weiß wie mit meinen Gefühlen in den unterschiedlichen Situationen umzugehen. Hierbei brachte der Referent den Begriff „Scham“ ein, der nach Uri Weinblatt eine zentrale Rolle in zwischenmenschlichen Beziehung spielt. Scham entwickle sich oft in Situationen, wo sich eine Seite ohnmächtig, nicht wertgeschätzt fühlt oder beschuldigt wird und deshalb versucht durch bestimmtes Verhalten beim anderen dasselbe Gefühl hervorzurufen. Diese Gefühle führen oft dazu, durch Beschämung des anderen von der eigenen Scham abzulenken und sie auf den anderen zu übertragen. Dadurch entstehe häufig eine Spirale der Eskalation, bei der jeder versucht, die Schamgefühle des anderen zu erhöhen, um sich selbst zu schützen und sich besser zu fühlen, erklärte Raffeiner. Um diesem Kreislauf zu entkommen sei es notwendig, die Scham bei sich selbst und dem anderen zu erkennen und dieser auf positiver Weise zu begegnen. Während Beschuldigungen oder Ausdrücke wie „immer“, „du“ „nie“ das Schamgefühl verstärken, bewirken Ausdrücke wie „ich“ und „wir“ das Gefühl von Gemeinsamkeiten und es ensteht eine Verbundenheit, die es leichter macht, Kompromisse zu finden. Diese Definition von Scham ermöglichte den Zuhörern eine neue Sicht auf Konfliktsituationen und so gab es zu diesem Thema nach vielen Praxisbeispielen noch einen regen Austausch mit dem Referenten.
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